Zwanzig Stunden auf dem Shire River
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Fuß auf die “M.V. Mangunda” zu setzen, fühlte sich an, wie in eine fremdartige Dimension zu treten.
Obwohl die Straße vom Ufer des Lake Malawi zwischen Mangochi und Liwonde nahezu frei von Autos war, war es eine nervenaufreibende zweistündige Fahrt, da herumstreunende Hunde und Gänse, plötzlich auftauchende Ochsen-Karren, überladene Lastwagen, winkende Kinder und Fahrradfahrer, beschäftigte Händler und rücksichtslos fahrende Mini-Busse sich vor uns im Zick-Zack bewegten. Nachdem wir links abgebogen waren und den lauten Markt vor der Brücke, kurz vor der Straßensperre in Liwonde, überquert hatten, fuhren wir auf einer alten Sandpiste weiter, die am West-Ufer des Sees entlangführt. Früher wären wir im Hotel Hippo auf ein paar Drinks und warme Cola eingekehrt und hätten die Flusspferde, die sich vor der Bar suhlten, beobachtet. Jetzt, wo es neue Hotels am Fluss gab, wurde die Straße regelmäßig befahren und auch von Fußgängern oder Fahrradfahren genutzt, die zu den Dörfern im Norden des Flusses unterwegs waren. An einem Wochentag im Mai 2011 fuhren wir morgens ein paar hundert Meter auf der Sandpiste bis zum “Shire River Camp und Lodge”. Die Anlagestelle der “Mangunda” war von dichtem Bäumen umgeben und menschenleer. Wir tranken Kaffe und warteten auf das Boot. Während wir am Fluss saßen, beobachten wir die vorbeifahrenden Fischer und die entlang fließenden Wasserhyazinthen (eine Plage der Flüsse in Ostafrika). Der Shire River (sprich: Shir-ie) entspringt im Lake Malawi und fließt in südliche Richtung, vorbei an Liwonde und dem Steilhang von Blantyre, durch Wasserfälle und zwei Wasserkraftwerke, bis er in den Sambesi und schließlich in den Indischen Ozean mündet. Um 10 Uhr morgens machte die “Mangunda” mit einem lauten Pfeifen auf sich aufmerksam. Das Boot legte an und entlud ein halbes Duzend Passagiere. Bei dieser “Shire River Safari” sind verschiedene Touren möglich, je nachdem wie viel Zeit Sie haben. Diese Besucher, die gerade ausstiegen, hatten einen Bootstrip früh am Morgen gewählt, während wir einen 24-Stunden-Trip gebucht hatten. Das Liwonde Wildreservat in Malawi ist eines der Größten in einem Land, das eigentlich nicht wirklich für Wildtiere bekannt ist. Es wurde in den letzten Jahren wieder zum Leben erweckt durch Wildhüter und Hotelmanager. Jetzt ist es das Zuhause von Rhinozerossen (in einer extra Schutzzone), Löwen, Affen, verschiedenen Antilopen-Arten und den vielen einheimischen Tieren am und im Fluss: Krokodile, Flusspferde, Elefanten und Vögel. Für die vielen Vogelarten ist der Liwonde River berühmt – und wir wurden nicht enttäuscht. Nachdem wir um 11 Uhr an Bord gestiegen waren, tuckerten wir mit dem Boot langsam nach Norden in Richtung des Parks, der beide Seiten des Flusses umfasst. Die Dorfbewohner sollen eigentlich an diesem Abschnitt dem Fluss fern bleiben, aber in einem Land, wo Arbeit und Land spärlich vorhanden ist, findet man die Bewohner des Flussufers natürlich beim Fischen. Während unserer Bootsfahrt haben wir viele Einheimische in ausgehölten Kanus gesehen. Alle passten perfekt ins Bild: Jeder der Fischer warf seine Angelleine aus und wartete darauf, dass etwas anbeißt – höchstwahrscheinlich ein Wels oder Barsch. Die “Mangunda” wurde kürzlich auf Touristen ausgelegt. Das Boot hat drei Schlafzimmer, zwei WCs und Duschen (mit heißem Wasser), eine Sitz- und Essgelegenheit im Inneren, eine Küche und Quartiere für die Crew sowie ein Deck mit Tischen Und Stühlen unter einem großen Vordach. Der Kapitän – mit dem Namen “Stille” – stammte aus Simbabwe und hat Erfahrungen auf dem Lake Kariba und im Okavango Delta gesammelt. Er wusste nicht nur, wie man ein Boot steuert, sondern war auch ein guter Koch und kannte sich sehr gut mit wilden Tieren, inklusive Vögeln, aus. Er und meine Reisebegleiter hatten während des ganzen Trips Ferngläser und ein Vogelkunde-Buch zur Hand und konnten somit eine große Vielzahl an Störchen, Reihern, Fischadlern und Kingfisher-Vögeln identifizieren. Wir fuhren langsam weiter in Richtung Norden, bis wir den Park-Eingang erreichten. Den ganzen Nachmittag fuhren weiter bis zur Nordgrenze des Parks. Während der Fahrt gab es Mittagessen auf dem Außendeck. Der Fluss schlängelte sich langsam durch das Schilf, das in der Regenzeit Wurzeln schlägt und später kleine Inseln im Wasser bildete. Es war immer noch zu nass, um große Wildtiere am Flussufer sehen zu können, da der Regen erst vor ein paar Wochen aufgehört hatte. Also konnten wir zwar Wasserantilopen und Impala erspähen, diese waren aber weit entfernt und hinter den Bäumen versteckt. Viel näher waren uns Krokodile, die langsam vor uns ins Wasser glitten, um von einem Ufer zum anderen zu gelangen. Manchmal lagen Sie auch einfach nur träge am Rand, immer mit einem geöffneten Auge, das uns beobachtete, während wir vorbeifuhren. Flusspferde gab es überall zu sehen – im Wasser und an Land. Uns wurde erzählt, dass einige Nilpferde im Shire River, im Gegensatz zu anderen Orten, das Wasser am Tag verlassen, dann ein spezielles schützendes Sekret versprühen und am Flussufer grasen, weil sich schon zu viele Ihrer Artgenossen im Fluss aufhalten. Als die Sonne langsam hinter den fernen Bergen unterging, drehte das Boot um und fuhr wieder flussabwärts. Der Kapitän entdeckte einen guten Anlegeplatz am Westufer, der aber eher nur ein freies Stück zwischen dem Schilf darstellte. Genau an dieser Stelle hatten wir im Laufe des Tages ein großes Krokodil im Schlamm liegen sehen, umringt von Reihern. Hier legten wir an, um die Nacht zu verbringen. Drinks zum Sonnenuntergang wurden auf dem Außendeck serviert, während wir die letzten Lichtstrahlen verschwinden sahen. Bald schwebten hunderte von Glühwürmchen aus dem Schilf an der Steuerbordseite und die Klänge der Nacht drangen etwas weiter entfernt aus dem Busch. Zum Glück hielt eine leichte Brise die lästigen Insekten fern. Wir sahen das Kreuz des Südens auf der Backbordseite aufgehen und es wurde uns erklärt, wie man mit Hilfe der umliegenden Sterne genau bestimmen konnte, in welcher Richtung Süden lag. Kurz danach begaben wir uns ins Innere des Bootes, um unser Abendessen, das aus Steaks bestand, zu genießen. Die Dämmerung kam sehr früh auf dem Shire-River. Meine Reisebegleitung ist aufgestanden, um den Sonnenaufgang zu beobachten, während ich mich noch weiter in meine Bettdecke verkrochen habe und bis 6:30 Uhr schlief und dann auf das Außendeck kletterte, um einen Kaffee zu trinken und um die seltene Möglichkeit zu nutzen, den Klängen eines neu beginnenden Tages zuzuhören. Da die Motoren des Bootes ausgeschaltet waren, konnte man das Schilf rascheln hören, als Webervögel sich darin bewegten. Grüne Meerkatzen spielten in den Bäumen, während langbeinige Vögel flach über der Wasseroberfläche auf der Suche nach Ihrem Frühstück dahinglitten. Wir konnten noch eine Stunde die Stille genießen, dann wurde der Generator wieder eingeschalten, um Wasser für die Duschen oder für das Kochen zu erhitzen. Nachdem der Kapitän uns ein warmes Frühstück servierte, fuhr er los, wieder flussabwärts. Wir fuhren in gemächlichem Tempo und schalteten die Motoren aus, um auf dem Wasser dahinzutreiben und um eine Elefantenherde am Westufer zu beobachten. Wir sahen wieder Flusspferde und Krokodile und die allgegenwärtigen Vögel. Wir umfuhren die Schilf-Inseln und sahen ein paar kleinere Boote auf dem Wasser, die mit Touristen gefüllt waren, die den Trip am frühen Morgen in Richtung Norden unternahmen. Bald sahen wir auch wieder Fischer in ihren Kanus, die entlang des von Krokodilen besiedelten Ufers auf der Suche nach guten Fischgründen paddelten. Eine Stunde später befanden wir uns wieder im ländlichen Malawi, das durch Nahrungsmittel-Anbau am Flussufer gekennzeichnet war. Wir sahen Vogelscheuchen, die auf langen Stengeln neben dem Wasser aufgestellt waren und neue Schlamm-Ziegel-Hütten, die ein paar Meter vom Fluss entfernt erbaut wurden. Dann kamen die Touristen-Hotels, ohne die Vielzahl von Flusspferden vor ihnen, wie es noch Jahre zuvor üblich war. Mit einem langen und lauten Pfeifen kündigte die “Mangunda” unsere Rückkehr in Liwonde und dem geschäftigen Leben in Malawi an. |